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Unsere Jumelagereise mit dem TGV nach Marseille vom 02. bis 07. Mai 2016

Bonjour Marseille!

Montag 02.05. Zehn Stunden Zugfahrt liegen vor uns. Zuerst fahren wir mit dem ICE von Koblenz nach Mannheim, dann mit dem TGV nach Marseille. Meine Freundin Uschi fährt mit und wir haben uns viel zu erzählen. Wir packen unsere Vorräte aus und essen und trinken. Walter versorgt uns alle mit Leckerlis. Die Landschaft fliegt an uns vorüber, kein Wunder, erreicht unser Zug manchmal Spitzengeschwindigkeiten  von 315 km pro Stunde. So vergeht die Zeit doch schnell. In Marseille werden wir nicht nur von unserer Reiseführerin Regina, sondern auch von Patricia und Michel abgeholt. Groß ist die Wiedersehensfreude. Regina zeigt uns vom Vorplatz des Bahnhofs das nächtliche Marseille mit der alles überragenden Basilika Notre Dame de la Garde. In der Dunkelheit laufen wir vom Bahnhof St. Charles zu unserem Hotel durch die Altstadt. Es liegt zentral in der Nähe des Hafens.

Dienstag 03.05. Blauer Himmel und herrlicher Sonnenschein, aber ein schrecklicher Wind, der gefürchtete Mistral. Gut dass wir die geplante Bootsfahrt verschieben konnten. Regina führt uns über den Boulevard La Canebière, Marseilles Prachtstraße, zum Vieux Port. Er liegt mitten in der Stadt, hat er doch vor 2600 Jahren zur Gründung der Stadt geführt. Heute ist er nur noch ein Sporthafen. Der eigentliche Hafen La Joliette liegt weit außerhalb der Stadt. Als 2013 Marseille Europäische Kulturhauptstadt wurde, hat Sir Norman Foster das gesamte Gelände des Vieux Port umgestaltet. Ganz spektakulär ist das Sonnensegel am Hafen. Hoch über den Pflastersteinen erstreckt sich ein riesiger Spiegel aus poliertem Metall, in dem man sich selbst als Winzling erblickt.

Wir fahren mit dem Linienbus hoch hinauf zur Basilika Notre Dame de la Garde. Von oben hat man einen wunderbaren Blick über die Millionenstadt, die Weite der Bucht und die weißen Kalkberge. Wir können uns aber kaum noch auf den Beinen halten, so stark bläst der Mistral. Also gehen wir ins Innere der Wallfahrtskirche. Sie ist im 19. Jahrhundert im neobyzanthinischen Stil erbaut worden. Ein sehr eindrucksvolles Gebäude. Innen hängen an vielen Schnüren kleine Votivschiffe, gespendet als Dank für eine gute Rückkehr vom Meer.

Der Linienbus bringt uns zum Hafen zurück zur frühromanischen Abbaye St.Victor. Sie ist die älteste Kirche Marseilles. Sie wirkt mit ihren hohen fast fensterlosen Kalksteinmauern wie eine abweisende Trutzburg. Innen ist sie düster. In der Krypta stehen reich verzierte Sarkophage aus christlicher und vorchristlicher Zeit. Wir treten wieder ans Tageslicht und setzen mit einer Fähre auf die andere Seite des Hafens über. Diese Seite des Hafens, die Altstadt, wurde während des zweiten Weltkriegs von den Deutschen zerstört und nach dem Krieg mit einer einheitlichen Front wieder aufgebaut. Wir stehen vor dem Hôtel de Ville, dem ehemaligen Rathaus. Am Giebel erkennt man den Sonnenkönig, der die Marseiller bezwang.

Nach der Mittagspause geht Regina mit uns zum Quartier Panier. Unterwegs beobachtet Dittmar wie zwei Mädchen Frau Zang in die Tasche greifen und ihren Geldbeutel herausholen und ganz gemächlich weiterlaufen. Er alarmiert die Gruppe und Walter und Dittmar rennen den beiden nach und lassen sich den Geldbeutel wiedergeben. Das war knapp.

Wir laufen zur Kathedrale Ste.-Marie-Majeure, die im romanisch byzanthinischen Stil erbaut wurde. Sie wurde im 19. Jahrhundert errichtet, während die Charité, die wir dann besuchen, aus dem 17.Jahrhundert stammt. Sie diente als Alten-und Armenhospiz. Der Bau gruppiert sich um eine Kapelle. Im Innenhof fallen die drei übereinander liegenden Arkaden auf, hinter denen die eigentlichen Räume für die Bedürftigen waren.

Jetzt geht es in die älteste Geschichte Marseilles. Wir besichtigen die Ausgrabungen des griechisch – römischen Hafens. Die Grundmauern des Hafens sind noch gut zu erkennen. Wer jetzt noch gut zu Fuß ist, geht mit Regina zu dem Marché des Capucins. Dort werden Obst und Gemüse verkauft, hauptsächlich an die Immigranten aus aller Herren Länder. Zum Abschluss gehen wir auf den Place Julien, sitzen unter Bäumen in der Sonne und trinken ein 1664 Bier. Der Wind hat nachgelassen, die Füße wuseln, die Pause tut gut.

Notre Dame de la Garde Hôtel de Ville

Mittwoch 04.05. Der heutige Wetterbericht meldet: wolkenloser Himmel, kein Wind. Letzteres war von Nöten, wollen wir doch mit dem Bus nach Cassis fahren und eine Bootsfahrt durch die Calanques machen. Chaotische Verkehrsverhältnisse. Wir kriechen wie eine Schnecke. Zuerst wollen wir das Hochhaus von Le Corbusier anschauen. Auf uns wirkt es wie eine von den vielen Wohnmaschinen, die hier zuhauf in der Gegend herumstehen. Für die damalige Zeit aber war seine Konzeption bahnbrechend. Unter einem Dach wollte er Schule, Kindergarten, Geschäfte, Theater unterbringen.

Dann fahren wir der Küstenstraße entlang nach Cassis. Ein Bimmelbähnchen holt uns am Parkplatz ab und fährt uns hinunter zum Hafen. Wir besteigen unser Boot und fahren der zerklüfteten Küste entlang. Wir genießen die Ausblicke vom Boot aus. Schroffe Felswände etwa 300 Meter hoch ragen aus dem Wasser empor. Die steilen Wände locken Kletterer an. Unter Wasser befinden sich Höhlen, die das Kalkgestein geschaffen hat. Nach der Bootsfahrt sind alle blitzschnell verschwunden. Die einen gehen an den Strand, die anderen zieht es zu den Fleischtöpfen. Uschi und ich genießen in der Sonne Tapas und ein Gläschen Wein. Ferienstimmung pur, es fehlt nur noch der Liegestuhl.

Am Abend speisen wir in einem Steakhaus. War gut. Danach tranken wir einen Absacker auf einem hübschen Platz in der Nähe.

                 
  Villa Mediterranée

Donnerstag 05.05. Wieder führt uns Regina zum alten Hafen. Die Fischer haben sich dort versammelt, um ihre Ware an den Mann zu bringen. Fangfrisch, die Fische zappeln noch. Wir folgen Regina zum Ausgang des Hafens. Zuerst kommen wir an das Consigne-Gebäude, ehemaliger Sitz der Sanitärverwaltung, die damit beauftragt war, Marseille vor Epidemien zu schützen und einlaufende Schiffe unter Quarantäne zu stellen. Etwas weiter entfernt befindet sich das Fort Saint Jean und der Tour du Roi René, der im 15.Jahrhundert erbaut wurde. Gegenüber auf der anderen Seite des Hafens liegt das Schloss der Kaiserin Eugenie, die dieses der medizinischen Fakultät vermacht hat. Wir gehen um das Fort herum und sehen gleich mehrere städtebauliche Highlights. Einmal das Museum Mucem, die Villa Méditerranée, die Kathedrale De La Major und in der Ferne das blau schimmernde Bürohochhaus der Architektin Zaha Hadid. Zuerst gehen wir in die Villa. Ein Teil dieses Prestigeobjektes ragt wie ein ausladender Arm über dem Erdboden und soll die Verbindung von der Erde zum Meer darstellen. Wir haben Glück und dürfen das Gebäude besichtigen. Ein Teil der Räume ist unterirdisch und wird von Meerwasser umspült. Nun gehen wir ins Mucem. Es ist ein rechteckiges Gebäude umgeben von floralen Ranken aus Beton. Hinter diesem Muster verstecken sich die Rampen, die um das ganze Gebäude herumreichen. Zuerst besichtigen wir eine Ausstellung, die das Leben im Mittelmeerraum von früher und heute veranschaulicht. Im Obergeschoß ist eine Ausstellung, die Picassos volkstümliche Wurzeln zeigt. Sie zeigt nicht nur seine Bilder aus seinen verschiedenen Schaffensperioden, sondern auch Keramiken und Silberobjekte.

Nach einer Kaffeepause auf der Dachterrasse des Mucem laufen wir über einen Steg hinüber zu dem Dachgarten des Fort Saint Jean. Mediterrane Pflanzen bestimmen den Garten. Von dort aus gelangen wir über einen Steg, der mehrere Straßen in luftiger Höhe überspannt ins Panierviertel. Dort auf dem Place Lenche, dem ehemaligen römischen Forum aßen wir zu Mittag. Um uns herum war ein Gewimmel von Menschen, Straßenmusikanten spielten.

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Boot hinüber zum Chateau d’If. Der Festungsbau steht auf einem kahlen Felsenrücken. Bis zum ersten Weltkrieg diente er als Gefängnis. Zu Berühmtheit gelangte er durch den Grafen von Monte Christo, einer Romanfigur von Alexandre Dumas. Nachdem wir alle Zellen und Türme besichtigt hatten, traten wir völlig vom Wind zerzaust die Rückfahrt an.

Freitag 06.05. Unser letzter Ausflug führt uns nach Aix-en-Provence. In 30 Minuten sind wir mit dem Linienbus dort angekommen. Aix war früher Hauptstadt und Verwaltungssitz der Provence. Viele Adlige wollten an der Quelle der Macht sein und erbauten dort ihre Stadtvillen. Zuerst gehen wir durch die Prachtstraße von Aix, den platanengesäumten Cours Mirabeau. Nur Kutschen durften die edle Promenade befahren. Geschäfte aller Art waren hier verboten. Herrliche Stadthäuser des Aixer Adels aus dem 17.und 18. Jahrhundert säumen die Straße. Auf der rechten Seite der Straße liegt das Quartier Mazarin mit seinen schachbrettartig angelegten Straßen. Auch hier entdeckt man viele barocke Wohnsitze mit ihren Gärten. Auf der anderen Seite des Cours Mirabeau liegt die Altstadt mit ihren krummen verwinkelten Gassen. Wir kommen bis zum Rathaus mit seiner Barockfassade. Der angrenzende Tour d’Horloge diente als Stadttor. Nach der Mittagspause besichtigen wir die Kathedrale St-Sauveur. Sie wurde ständig um- und ausgebaut und zeigt eine Fülle von Baustilen. Die Taufkapelle stammt aus dem 5.Jahrhundert. Im Langhaus aus dem 12. Jahrhundert steht die größte Kostbarkeit der Basilika, das Altarbild des Hl. Lazarus. An der Südostseite liegt das Cloître St. Sauveur mit seinem schönen Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert. Wir schlendern durch die Stadt und entdecken viele Brunnen, die mit Thermalwasser gespeist werden. Den 34° heißen Quellen und der günstigen Verkehrslage verdankt Aix ja seine Gründung. Die Römer nannten den Ort Aquae Sextiae.



   
Cloître St. Sauveur  

Aix hat auch ein modernes Gesicht. Regina führt uns zu der neuen Stadt. Modernen Wohnblocks gegenüber steht die neue Oper. Es ist ein massives weitläufiges Gebäude aus ockerfarbenem Stein. Gegenüber liegt die Musikhochschule. Das Gebäude ist ein gewagtes Experiment eines japanischen Architekten. Damit beendet Regina unsere Führung. In Marseille angekommen, verabschiedet Walter Regina und dankt ihr für ihre kompetente Führung. Wir aber stürzen uns in den nächsten Supermarkt, um uns mit Proviant für die morgige lange Zugfahrt einzudecken.

Beim Abendessen dankt Dittmar im Namen aller Walter für seine allumfassende Betreuung. Dann treten wir den Heimweg an. Nun heißt es Koffer packen.

Samstag 07.05. In der Frühe rollen wir unseren Koffer zum Bahnhof St. Charles. Eine lange Zugfahrt liegt vor uns. In Koblenz angekommen verabschieden wir uns von allen Reiseteilnehmern in der Gewissheit, dass eine schöne Reise hinter uns liegt.

Text und Fotos: Doris Glück
Eine weitere Fotoreihe von Dittmar von Schilling nachfolgend: